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Eine Band zu gründen, das war einmal der Weg hinaus aus dem Arbeiterklasseschicksal, heute ist es bekanntlich öfter eine Beschäftigungstherapie der vergoldeten Jugend mit Statusangst auf hohem Niveau. Wir können nicht wissen, ob das für TENTS gleichermaßen gilt, es geht uns auch einen Dreck an. Was allerdings zählt, ist dass sie diese Einsicht blendend zu verarschen wissen. In „Sabbatical“, dem knackfrischen ersten Vorboten ihres Albums Stars on the GPS Sky, raten sie uns an, in unserem zwecks Selbstfindung freigenommenen Jahr doch den Kilimanjaro zu besteigen, einen Malkurs in Florenz zu belegen, als freiwilliger Helfer auf einem Bio-Bauernhof zu melden oder im Kajak durchs Meer zu paddeln. In jedem Fall: „Move your asses!“

Das wird kein Zufall sein, denn wir haben es hier mit einer Band zu tun, die „die Erzählung von Pop“ mitdenkt, sowohl in ihrer Musik als auch wenn sie sich in ihren Pressefotos mit vom Künstler Bernhard Rappolds zu „exotischen“ Instrumenten transformierten E-Gitarren fotografieren lässt.
Eine Band, die eine glänzende Snaredrum aufs Cover ihres Albums tut und dazu in einem gemeinsamen Statement erklärt: „Die Snaredrum, als banaler musikalischer Gegenstand, wird in der Darstellung einer übersteigerten Produktphotographie zum Fetischobjekt stilisiert, schlicht zum Synonym für Pop(-musik).“

Es gibt auch einen Clip dazu, der die in ihren Videos bislang höchstens von hinten im Dunkeln beim Eislaufen sichtbaren TENTS erstmals ins nackte Licht eines Filmstudios stellt. Mit einem Tropenhelm, einer glänzenden dekorativen Steinkugel, einem textilgebundenen Notizbuch, Gitarre und Schlagzeug als essentiellen Accessoires, sowie jeder Menge Pastelltöne, die die unvermeidlichen Eighties weniger zitieren als parodieren.

Eine Band auch, die wissend genug ist, als Referenz zu den wohl unausweichlichen Achtzigerjahren live eine Cover der Punk-Funk-Pionierinnen ESG als Fährte zur Weiterverfolgung anzubieten.
Aber wo wir schon bei der Nostalgie sind: Erinnert sich noch wer an den Sommer 2017? Das waren noch unschuldige Zeiten, wir aßen in schwülen Nächten Teller mit „heaps of spaghetti ice cream“ drauf, bewunderten bei Tag die glatte, majestätische Schönheit undurchdringlicher Grenzmauern („an impenetrable wall, physical beautiful, tall“) und unten bei uns im Bunker war es angenehm kühl („’twas cool in my bunker though“).

So erzählen es TENTS in „Summer of ’17“, dem Opener von „Stars on the GPS Sky“. Von seinen Satelliten in der Erdumlaufbahn aus hat das US-Militär einen allwissenden Raster über die Erde gelegt, und hätte in jenem Sommer ein verspielter Algorithmus die pulsierenden blauen Punkte von Clemens Posch (Gitarre, Stimme, manchmal Bass), Lucas Kulterer (Bass, Tasten) und Paul Stöttinger (Schlagzeug, Tasten) zugleich geortet, dann hätten diese sich entweder in ihrem Proberaum oder in den Amann Studios der lebenden Sound-Institution Christoph Amann zu einer bebenden kleinen Traube vereint. Da erzeugten und konservierten TENTS nämlich jene Schwingungen, die sie dann später, bis tief in den bitterkalten Winter hinein und beim nächsten Jahr wieder raus gemeinsam mit Co-Produzent Mario Zangl (Mile Me Deaf, Melt Downer) in manischer Kleinstarbeit zu songförmigen Sternen bzw. sternförmigen Songs zusammensetzen sollten.
„I was a one hit wonder / Dropped dead over night“, singt Posch, der gutturalen Pathos genauso drauf hat wie schnippischen New Wave-Gesang, in „Dusk“. Seine Gitarre – stets folgend dem Prinzip einer antirockistischen Ökonomie, die Bilder in strategischen Abständen zwischen den Puzzle-Steinen entstehen lässt – setzt hier überhaupt erst nach anderthalb Minuten ein und dann gleich wieder aus. Kulterers Bass-Sound klingt umso fetter, andererseits aber auch glatt und körperhaft schön wie eine Grenzmauer. Und dann und wann trifft uns nach der Titelzeile eine Ohrfeige, die Stöttingers Trommel, vielleicht aber auch ein Schuss sein könnte.

Zum Zeitpunkt der Aufnahmen zu diesem Songs und dem Rest der LP war der TENTS bis dahin einziges Indie-Charts-Wunder, ihre Debüt-EP „Under My Wings“, bereits ein Jahr alt, und die Band wusste, dass sie ihrer Geschichte vor dem Tot-Umfallen noch was hinzuzufügen hatte.

Dann fallen wir augenblicklich in die Stille, und nach einem leeren Takt Pause fängt uns in derselben Tonart und demselben Tempo der Song „Elevator“ wieder auf. Noch so ein zentrales Stück dieses Albums: „Who built this shit elevator / Who built this shit?“ fragt sich der unverlässliche Erzähler.

Radio Fm4 bezeichnete das im Mai 2018 erschienene Tents Album „Stars On The GPS Sky“ als „eines der besten Alben 2019 aus Österreich“ und Medien wie Intro, Falter, Tracker Magazine oder Noisey schrieben euphorische Features. The Gap Magzine listete TENTS als „Talent to watch“ neben Acts wie Mavi Phoenix, Motsa oder Leyya.

English Text

Starting out with a string of well received shows in Austria, indie/post-punk band TENTS released their debut “Under My Wings” in 2016 on Numavi Records. Scenesters and the press quickly got excited about the band and its unique musical style. Sparingly arranged, the songs are partly carried by organ textures and partly cut by post-punk-guitars. Repetitive drums and bass complement the voice, which follows form and sound and is orbiting minimal collages of text with no inherent narrative function.

Media like Radio FM4, Wiener Zeitung, or Tracker Magazine released enthusiastic features about the band and they were featured on Siluh Records´ compilation “Aber der Sound ist gut” (2016). The Gap named them a „talent to watch“ – besides artists like Mavi Phoenix, MOTSA or Leyya.

In May 2018 they released their first full-length album “Stars On The GPS Sky” (Numavi Records) on LP, CD and cassette.